Interview mit Robert Frei zu seinem Film «Horizonte»
Am Winterthurer Lagerplatz ist mit dem «Zusammen_h_alt» ein aussergewöhnliches Wohnprojekt entstanden: 96 Menschen zwischen 50 und 80 leben hier gemeinschaftlich, selbstbestimmt und mit viel Raum für Begegnung. Von Anfang an dabei war auch Robert Frei – nicht nur als Bewohner, sondern auch als filmischer Begleiter.
Über mehrere Jahre hat er das Projekt mit der Kamera verfolgt. Sein Dokumentarfilm «Horizonte» zeigt den Weg von den ersten Erwartungen über den Einzug bis hin zum Rückblick auf die neue Wohnform. Frei gibt Einblicke ins gemeinsame Leben, in Hoffnungen, Konflikte und die Realität des Älterwerdens in Gemeinschaft.
Robert, was hat dich bewogen, Teil des Projekts zu werden?
Als meine Tochter ausgezogen ist, standen plötzlich zwei Zimmer leer. Mir war klar: Ich möchte nicht allein bleiben, sondern in einer Gemeinschaft leben. Schon früh habe ich am Raumprogramm vom «Zusammen¬h¬alt» mitgearbeitet. Zwei Jahre vor dem Einzug haben wir Prinzipien formuliert: Toleranz, Aufmerksamkeit füreinander, gegenseitige Hilfe. Es sollte ein Ort für selbstbestimmtes Leben werden.
Und wie kam es zur Idee, das Projekt zu filmen?
 Filmen begleitet mich schon lange – als Hobby und als Weg, um Dinge zu verarbeiten. Ich war Lehrer und Schulleiter, habe aber immer auch Filme gemacht, meist nah an meinem eigenen Leben. Der Schritt in eine neue Wohnform war ein grosser Umbruch. Da lag es nahe, Erwartungen und Realität filmisch zu dokumentieren: Was stellen wir uns vor – und wie sieht es später wirklich aus? So entstand ein dreiteiliger Film: Erwartungen, Einzug, Resümee.
Wie lief die Arbeit konkret ab?
2018 habe ich die ersten Interviews geführt, zwei Jahre vor dem Einzug. Fünf Paare und acht Einzelpersonen machten mit, einige halfen beim Filmen. Es war ein Hobbyprojekt, ohne Förderung. Die Filmarbeiten waren aufwändig und unbezahlt. In verschiedenen Funktionen haben Felix Singer, Felix Schläpfer, Regi Bötschi, Ruedi Stadelmann und Trix Gros mitgearbeitet.
Wie haben die Mitbewohnenden auf die Kamera reagiert?
Grundsätzlich mit Vertrauen. Aber nicht alle waren glücklich, sich im Film zu sehen. Eine Person wollte ihren Beitrag gestrichen haben – und das habe ich respektiert. Solche Spannungen gehören dazu und machen den Film authentisch.
Hat das Filmen auch Ihr eigenes Erleben geprägt?
Sehr. Durch die Gespräche wurde mir klarer, was ich selbst will – und auch den Interviewten ging es ähnlich. Der Film war ein Spiegel: für mich, für die Gemeinschaft.
Und wie erleben Sie heute das Leben im Haus?
Es gibt Höhen und Tiefen. Manchmal denke ich: Es könnte nicht besser sein. Dann wieder erscheint mir Winterthur langweilig. Aber im Kern stimmt es für mich: selbstbestimmt, gemeinschaftlich, mit allen Reibungen.
Welche Erkenntnisse haben Sie über das Älterwerden gewonnen?
Viele. Vor allem habe ich erfahren: Auch wenn man ähnliche Vorstellungen teilt, gestaltet sich das Erleben für jede und jeden anders. Gerade im gemeinsamen Austausch wird diese Vielfalt sichtbar – und genau das macht es bereichernd.
Film: «Horizonte»
- Dauer: ca. 65 Minuten
- Regie/Kamera: Robert Frei
- Inhalt: Drei Kapitel – Erwartungen, Einzug, Resümee. Einblicke in den Entstehungsprozess eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts, erzählt von innen.
- Premiere: 2022
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