Sozial verantwortliche Investitionen in Wertschriften – vier Fragen zur Abendrot-Anlagestrategie

Interview mit dem Leiter Fachstelle Wertschriften und Anlageexperten Dominique Becht

 

Abendrot verfolgt das Ziel, Gelder ausschliesslich in sozial verantwortliche Anlageprodukte zu investieren. Doch was genau bedeutet das?

Geld ist Macht, heisst es im Volksmund. Fakt ist: Dort, wo Geld hinfliesst, wirkt es. Jeder Franken kann einen Unterschied machen – je nach dem, wofür er eingesetzt wird. Für Abendrot ist daher die Frage zentral: Was genau bewirkt jede unserer Geldanlagen?

 

Dominique Becht, wie geht sozial bewusstes Investieren?

DB: Was vor vierzig Jahren bedeutete, beispielsweise auf Anlagen im Atomkraft- oder Rüstungssektor zu verzichten, hat sich bis heute zu einer viel umfassenderen und wirkungsorientierteren Strategie verdichtet. So geht es längst nicht mehr nur darum, schädliche Anlagen auszuschliessen. Wir wollen mit unseren Investments die bestmögliche Wirkung erzeugen, und zwar so, dass diese auch messbar ist.

Wie kann die soziale Wirkung von Anlagen gemessen werden?

DB: Die Methode zur Wirkungsmessung börsenkotierter Anlagen hat sich in den vergangenen vier Jahren merklich verbessert. Unsere Partnerin, die Stiftung Ethos, hat dazu pionierhafte Vorarbeit geleistet und detailliert Unternehmensaktivitäten, welche eine positive Wirkung aufweisen, definiert. Wir werden die Wirkung unserer börsenkotierten Anlagen in Zukunft anhand dieser Definitionen ausweisen, da sie transparent und glaubwürdig sind.

Um ein Messinstrument für die soziale und ökologische Qualität aller Anlagen zu haben, haben wir bei Abendrot zudem eine Wirkungsmatrix eingeführt. Diese Matrix teilt jede Anlage nach ihrer Wirkungsqualität transparent in vier Kategorien ein.

Welche Anlage-Kategorien gibt es da und was bedeuten sie?

DB: Anlagen, die eine schädliche Wirkung auf Mensch oder Umwelt haben können, fallen in die Kategorie X. Sie wollen wir vermeiden.

Anlagen, die möglichst keine schädliche Wirkung oder ein Potential zu positiver Wirkung haben, werden in die Kategorien A und B eingeordnet. Hier finden sich vor allem börsenkotierte Anlagen. Unser Einfluss als Investorin beschränkt sich bei diesen auf das Ausüben der Aktionärs-Stimmrechte und das sogenannte «Engagement»: Dabei forcieren wir im Verbund mit anderen Investorinnen Nachhaltigkeits-Themen, die einen Gesinnungswandel in den jeweiligen Unternehmen auslösen sollen. So können wir mit der Zeit auch hier eine stärkere Wirkung entfalten.

Mit unseren Privatmarktanlagen (Kategorie C) gehen wir noch einen Schritt weiter: Durch direkte Investitionen in ausgewählte Firmen unterstützen wir diese darin, ihren Unternehmenszweck zu erreichen. Es sind Unternehmen, an deren Mission wir glauben und deren Werte wir teilen. Mit diesen Anlagen verfolgen wir konkrete ökologische und soziale Ziele. Ihre Wirkung messen wir anhand ihres "Outcomes": Dieser beziffert nicht nur die unmittelbaren Ergebnisse (das wäre der Output), sondern die langfristige Wirkung in der Welt.

Können Sie uns einige gute Beispiele für sozial bewusste Privatmarkt-Anlagen nennen?

DB: Privatmarkt-Anlagen, die besonders gute Beispiele für sozial verantwortliche Investitionen sind, nennen wir bei uns «Leuchtturm»-Investitionen:

OikoCredit

Oikocredit finanziert Partnerorganisationen im globalen Süden, die Kredite an unternehmerisch tätige Personen vergeben. Das Ziel dabei: Die Lebensumstände einkommensschwacher Menschen zu verbessern.

Um zu messen, wie sich die Lebensumstände der Zielgruppe durch die gewährten Darlehen tatsächlich verbessert haben (Outcome), hat Oikocredit 2023 eine Umfrage bei über 40'000 Darlehensnehmerinnen durchgeführt. Die Erkenntnisse daraus fliessen wiederum in die Gestaltung oder Bereitstellung bestehender Produkte oder Dienstleistungen ein.

Algrano

Algrano verbindet über einen Online-Marktplatz Kaffeebauern in Lateinamerika und Afrika direkt mit Kaffeeröstereien in Europa. Damit wird der Zwischenhandel ausgeschaltet und die Produzenten werden zu unabhängigen Unternehmern.

Die Transparenz der digitalen Plattform ermöglicht nicht nur ein Gleichgewicht zwischen den Akteuren und die Nachverfolgbarkeit der Ware. Sie liefert auch gleich eine Fülle an Daten, die für die Messung des Outcomes ausgewertet werden. Dies mit dem Ziel, vom Erreichten zu lernen und sich stetig zu verbessern.

Solarify

Mit drei Klicks zur Energiewende beitragen – so einfach klingt das Geschäftsmodell von Solarify.

Dachbesitzerinnen und -besitzer können ihre Dächer für Solarprojekte vermieten. Und Privatpersonen oder Organisationen können in diese Solarprojekte investieren. Um den Bau und Betrieb der Solaranlagen kümmert sich Solarify.

Damit ist die Wirkung bei Solarify einfach zu messen: Bisher nicht finanzierbare Solarprojekte können so realisiert werden. Und jedes umgesetzte Projekt steigert die nachhaltigen Stromproduktion in der Schweiz.

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